Anton Rintelen

»Politiker, * 15.11.1876 Graz, † 28.1.1946 Graz.

R. wurde in Graz nach einem Studium der Rechtswissenschaften 1898 promoviert und nach einem Wiener Studienaufenthalt 1902 für das Fach ›Zivilgerichtliches Verfahren‹ habilitiert. 1902/03 lehrte er dieses Fach als Privatdozent an der Dt. Univ. Prag, die ihn 1903 zum ao. und 1906 zum o. Professor berief. Als Dekan 1908/09 war er direkt in die mit der Wahrmund-Affäre einhergehenden Studentenunruhen involviert. 1911 folgte R. dem Ruf an seine Heimatuniversität als Ordinarius. Bei Kriegsausbruch 1914 meldete sich der Ungediente freiwillig und wurde 1915 als Landsturm-Oberleutnant-Auditor zunächst im Kriegsministerium (Mil.gesetzgebung), seit 1916 beim Militärkommando Graz (Landwehrgruppe), seit 1917 beim Landwehrdivisionsgericht Graz als Verhandlungsleiter verwendet. Daneben lehrte R. weiter an der Univ. Graz (1918/19 Dekan). Seit dieser Zeit stellte der angesehene Zivilrechtler Forschung und wissenschaftliche Publikation nahezu ein.

1918 wurde R. von der provisorischen Landesversammlung als Vertreter der Christlichsozialen zum stellvertretenden Landeshauptmann, nach den Landtagswahlen 1919 einstimmig zum Landeshauptmann von Steiermark gewählt. Als politischer Quereinsteiger konsolidierte er in wenigen Monaten die kränkelnde Landespartei und organisierte angesichts der Rätediktatur in Ungarn zusammen mit den Sozialdemokraten und rechten Wehrgruppierungen Abwehrmaßnahmen. Kontakte zu den steir. Heimwehren, zu rechtsgerichteten ungar. Kreisen und seit 1923/24 zu Mussolini bestimmten zunehmend seine wirtschaftspolitischen Maßnahmen (u.a. ital. Investitionen in d. Steiermark) und sein parteipolitisches Engagement. Um Schwierigkeiten, die aus der Gemengelage von Wirtschaft und Politik (Bankskandale im christl.soz. Umfeld) entstanden waren, besser meistern zu können, legte er das Amt des Landeshauptmanns nieder und wurde 1926 kurzzeitig Unterrichtsminister in der österr. Bundesregierung, nachdem er seinen Vorgänger Emil Schneider (* 1883) als zu kompromißbereit gegenüber den Sozialdemokraten denunziert hatte. 1928 kehrte er an die Spitze seines Bundeslandes zurück. Seine undurchsichtigen Querverbindungen zum extrem rechten Flügel der steir. Wehrverbände nach deren Putschversuch 1931 nährten das wohl unzutreffende Gerücht, der eigentliche Drahtzieher des geplanten Staatsstreichs gewesen zu sein. 1932/33 wurde R. erneut als Unterrichtsminister Mitglied der Bundesregierung unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (1892–1934), der den innerparteilichen Konkurrenten allerdings 1933 als Gesandten nach Rom abschob. Von hier aus betrieb R. mittels vielfältiger Intrigen seine Rückkehr in die österr. Innenpolitik. Daraus resultierende Kontakte zu den illegalen österr. Nationalsozialisten und deren Drahtziehern in München führten am 25.7.1934 zu seiner Ausrufung als Bundeskanzler der NS-Putschisten, die Dollfuß ermordeten, letztlich aber scheiterten. R., der bei seiner Verhaftung in Wien einen Selbstmordversuch unternahm, wurde am 14.3.1935 in einem Hochverratsprozeß zu lebenslangem Kerker verurteilt, nachdem Justizmister Egon Berger v. Waldenegg die drohende Todesstrafe verhindert hatte. Nach dem Diktat von Berchtesgaden am 18.2.1938 aus der Haft entlassen und nach dem ›Anschluß‹ im März 1938 Mitglied des Reichstags, schrieb R. seine Memoiren (1941), trat jedoch nicht mehr öffentlich hervor.«

Binder, Dieter A., in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 641–642

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