Georg Schwarzenberger

»Jurist, * 20. 5. 1908 Heilbronn (Württemberg), † 20. 9. 1991 Harpenden (Hertfordshire, Großbritannien). (jüdisch, später United Reform Church)

Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg, Frankfurt / M., Berlin und Tübingen (1926–30) leistete S. seit 1930 den jur. Vorbereitungsdienst u.a. in Heilbronn ab. Unter dem Einfluß des späteren SPD-Politikers Carlo Schmid (1896–1979) entdeckte S. sein Interesse am Völkerrecht. Mit einer Arbeit zum ›Völkerbunds-Mandat für Palästina‹ wurde er 1930 in Tübingen promoviert. Trotz seiner Herkunft aus einer jüd. Familie und seines Engagements für die SPD blieb S. nach dem ›Gesetz zur Wiederherstellung des Berufbeamtentums‹ zunächst unbehelligt. Erst nach einer Denunziation und auf Druck des ›Bundes Nationalsozialistischer Dt. Juristen‹ wurden er und seine nichtjüd. Ehefrau am 1.12. 1933 aus dem entlassen. Obwohl Versuche, eine Anstellung als Dozent für Völkerrecht an einer brit. Universität zu erhalten, gescheitert waren, emigrierte S. Anfang 1934 nach Großbritannien. In London nahm er zunächst ein Studium an der London School of Economics auf (Ph. D. 1936) und begann für die ›New Commonwealth Society for Justice and Peace‹ zu arbeiten. Dem aus dieser Einrichtung hervorgegangenen ›London Institute of World Affairs‹ blieb er lange Jahre eng verbunden (Direktor 1962). Seit 1938 lehrte er am Univ. College London Völkerrecht. 1939 wurde ihm die dt. Staatsangehörigkeit entzogen und die Doktorwürde aberkannt. 1940 wurde S. für einige Monate als ›feindlicher Ausländer‹ interniert. Nach Kriegsende lehnte S. die Rückkehr nach Deutschland ab. Er lehrte bis zu seiner Emeritierung 1975 am Univ. College London, wo er 1962 zum Professor für Internationales Recht ernannt worden war.

Neben seinem umfangreichen völkerrechtl. Œuvre, zu dem u.a. das vierbändige ›International Law as Applied by International Courts and Tribunals‹ (1945–86) und das ›Manual of International Law‹ (1947, 61976, dt. 1951) zählen, machte ihn v.a. seine Monographie ›Power Politics‹ (1941, dt. 1955) bekannt. In dieser verließ S. die rein jur. Betrachtungsweise. Basierend auf einem pessimistischen Menschenbild, charakterisierte er darin die völkerrechtl. Ordnung der Vereinten Nationen als System der verschleierten Machtpolitik. Inhaltlich und methodisch näherte er sich den Thesen der realistischen Schule der internationalen Beziehungen, wie sie u.a. von dem ebenfalls aus Deutschland emigrierten Hans J. Morgenthau (1904–80) vertreten wurde. In seinen völkerrechtl. Schriften bekannte sich S. zu einem empirischen Positivismus, den er in seiner Schrift ›The Inductive Approach to International Law‹ (1965) gegen Kritiker verteidigte. Die Thesen S.s wurden innerhalb der Völkerrechtswissenschaft kontrovers diskutiert; allerdings hatten seine Ideen keinen nachhaltigen Einfluß auf die Völkerrechtswissenschaft oder die Entwicklung des Völkerrechts.«

Steinle, Stephanie, in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 26–27

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