Ernst Mayer

»Rechtshistoriker, * 22.1.1862 Aichach (Oberbayern), † 13.8.1932 Würzburg. (evangelisch)

M. studierte seit 1879 Jurisprudenz an der Univ. München, beeindruckt besonders durch seinen rechtshistorischen Lehrer Konrad Maurer. 1884 legte er eine von der Münchener Fakultät preisgekrönte Schrift über ›Die Kirchenhoheitsrechte des Königs von Bayern‹ vor, mit welcher er promovierte. Nach dem ersten juristischen Staatsexamen im selben Jahr und einer einjährigen Tätigkeit als Rechtspraktikant wurde M. schon 1886 mit der Vertretung des Würzburger Lehrstuhls für Deutsche Rechtsgeschichte betraut. Im selben Jahre erfolgte die Habilitation mit einer Schrift ›Zur Entstehung der Lex Ribuariorum‹. 1887 erhielt M. die Würzburger Professur, welche er bis zu seiner Emeritierung innehatte; einen Ruf nach Jena lehnte er ab (1900). Die wissenschaftlichen Akademien von Oslo, Padua und Venedig sowie die römische Accademia dei Lincei beriefen M. zu ihrem Mitglied. Seit 1918 war er nebenamtlicher Richter am Oberlandesgericht, Synodale der ev.-luth. Landeskirche Bayerns schon vor 1914.

M. hat Arbeiten zur german. und mittelalterlichen Rechtsgeschichte, besonders aber zur älteren Verfassungsgeschichte vorgelegt. Seine Hauptwerke ›Deutsche und franz. Verfassungsgeschichte vom 9. bis zum 14. Jh.‹ (1899) und ›Ital. Verfassungsgeschichte von der Gothenzeit bis zur Zunftherrschaft‹ (2 Bde., 1909) nehmen in der verfassungsgeschichtlichen Literatur eine Sonderstellung ein. Ihre Gliederung folgt zwar dem zu seiner Zeit herrschenden Positivismus, weshalb der Stoff unter Rubriken wie ›Das Volk‹, ›Die öffentlichen Machtmittel‹, ›Die öffentlichen Verbände‹, ›Die Staatsverfassung‹ usw. geordnet wird. Inhaltlich hat M. aber über die ›staatlichen‹ Institutionen hinaus auch die rechtliche Ordnung sozialer Gruppen in ihrem Verhältnis zu den Amts- und Herrschaftsstrukturen behandelt. Die Darstellungen sind durch ein breites Quellenfundament abgesichert, die einzelnen Belege jedoch eher systematisch zugeordnet als mit hinreichender Offenheit gegenüber alternativen Interpretationsmöglichkeiten ausgewertet. M. legte weit größeren Wert auf den Quellenvergleich und die sich daraus ergebende Gesamtschau als auf die Analyse des einzelnen Quellenzeugnisses, weil er eine weitreichende Verfassungs- und Rechtskontinuität zwischen dem spätröm. Reich und der früh- und hochmittelalterlichen Herrschaftsorganisation annahm. Damit setzte er sich in Widerspruch zur herrschenden Meinung seiner Zeit. Moderne Forschungsansätze, die den Fernwirkungen der röm. Rechtskultur im Frühmittelalter größere Bedeutung beimessen, stehen dem Anliegen M.s aufgeschlossener gegenüber. In der Privatrechtsgeschichte folgte M. eher traditionellen Mustern, so etwa bei der Anwendung der Lehre von Schuld und Haftung auf ›Altspan. Obligationenrecht‹ (1920/21). – ImKaiserreich Mitglied der Nationalliberalen Partei, später der Bayer. Volkspartei und danach der Deutschnationalen Volkspartei angehörend, hat sich M. auch als Versammlungsredner und gelegentlich als politischer Publizist betätigt. Unter den einschlägigen Schriften darf besonders die Abhandlung ›Vom alten und vom kommenden Deutschen Reich‹ (1922) Interesse beanspruchen als Zeugnis konservativ-nationalen Denkens der Weimarer Zeit.«

Willoweit, Dietmar, in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 537 f.

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