Josef Kohler

»Jurist, * 9.3.1849 Offenburg (Baden), † 3.8.1919 Berlin. (katholisch)

Nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Freiburg und Heidelberg und der Promotion in Freiburg arbeitete Kohler 1873–78 als Richter in Mannheim. Nach Erscheinen seines Buches ›Das deutsche Patentrecht‹ wurde er 1878 als Professor nach Würzburg, 1888 nach Berlin berufen, wo er in überaus großer literarischer Schaffenskraft bis an sein Lebensende wirkte. Die Liste seiner Werke umfaßt nahezu 2500 Titel. – Seine Aufgabe als ›dogmatisch arbeitender‹ Jurist sah Kohler darin, Gesetzgebung, Rechtsprechung und tägliche Geschäftspraxis insbesondere auf neuen Rechtsgebieten zu erfassen, zu ›konstruieren‹ und in das System der Wissenschaft vom Recht einzufügen. Mit diesem Programm setzte er sich ab gegenüber der Begriffsjurisprudenz der ›Periode Vangerow-Windscheid‹, der ›konstruktionslosen Jurisprudenz‹ der Germanisten, dem Gesetzespositivismus, aber auch den für übertrieben gehaltenen Ansprüchen des Freirechts. Kohler betonte die Beziehungen zwischen dem Recht einerseits und Kultur, Philosophie, Geschichte sowie wirtschaftlicher und sozialer Situation andererseits. Rechtswissenschaft hatte stets ›philosophisch, geschichtlich, rechtsvergleichend und dogmatisch‹ zu sein. In den philosophischen Grundlagen fühlte sich Kohler dabei Hegel und Schopenhauer verbunden. Seine Fortentwicklung des Programms der historischen Rechtsschule im Geiste dieser Philosophie führte ihn zu einer kulturwissenschaftlichen Auffassung des Rechts (Das Recht als Kulturerscheinung, 1885), zur vergleichenden Rechtswissenschaft (= Universalrechtsgeschichte) und endlich zur Erneuerung des Naturrechts als ›Naturrecht der jeweiligen Kulturperiode‹. Damit im Zusammenhang stand die Ablehnung des aus Voluntarismus und historischem Relativismus gespeisten Gesetzespositivismus. Diese Ablehnung kam insbesondere in der von Kohler entwickelten objektiven Auslegungstheorie zum Ausdruck.

Ausgeführt hat Kohler seine Grundsätze in erster Linie durch Herausarbeitung des Begriffs des ›Immaterialgüterrechts‹ für das Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts. Hier ging es zu Kohlers Zeit zunächst noch um die Erfassung des besonderen Charakters solcher Rechte gegenüber dem Eigentum an körperlichen Gegenständen und dann auf einer zweiten Stufe um den gerechten Ausgleich zwischen vermögensrechtlichen und persönlichkeitsrechtlichen Interessen des Urhebers. Gegenüber der ursprünglich vorwiegend vermögensrechtlichen Betrachtung (›geistiges Eigentum‹) und der im Gegenzug insbesondere von den Germanisten betonten persönlichkeitsrechtlichen Deutung unterstrich Kohler den dualistischen Charakter aller Urheberrechte und urheberrechtsähnlichen Rechte durch Unterscheidung eines ›Immaterialrechts‹ und eines ›Individualrechts‹. Diese Sicht blieb bis heute im Prinzip erhalten, auch wenn man heute mehr die Verflechtung der Elemente hervorhebt, die Kohler überhaupt erst einmal trennen mußte, um sie deutlich werden zu lassen. Seine Arbeiten haben alle wichtigen Gesetze auf dem Gebiete des Urheberrechts im weitesten Sinne begleitet. An den Gesetzgebungsarbeiten selbst hat er sich jedoch nicht beteiligt. – Rechtsphilosophie, Rechtsgeschichte, Rechtsvergleichung und Rechtsethnologie hat Kohler nicht nur für seine Arbeit am geltenden Recht verwertet, sondern auch mit selbständigen Beiträgen gefördert: die Rechtsphilosophie durch seine Beiträge zur Naturrechtsdiskussion, die Rechtsgeschichte durch Quelleneditionen und durch die Wiederentdeckung der spanischen Naturrechtsschule des 15. und 16. Jahrhundert, die Rechtsvergleichung in all seinen urheberrechtlichen Werken und die Rechtsethnologie durch Anregung von Forschungen in den deutschen Kolonien.«

Luig, Klaus, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 425–426

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