Ignaz Jastrow

»Nationalökonom und Historiker, * 13.9.1856 Nakel (Provinz Posen), † 2.5.1937 Berlin-Charlottenburg. (israelitisch)

J. studierte Geschichte in Breslau und Berlin, habilitierte sich 1885 in Berlin für Geschichte und 1892 für Staatswissenschaften. 1905 wurde er ao., 1920 o. Professor. 1906 gehörte er zu den Gründern der Berliner Handelshochschule, deren Rektor er 1906–09 war.

J. war ein großer akademischer Lehrer und Pädagoge und ein vielseitiger Gelehrter: Historiker, Nationalökonom, Sozialreformer und Jurist. Viel von seiner historischen Bildung verdankte er ohne Zweifel Karl Wilhelm Nitzsch, dessen Schüler, und Ranke, dessen Assistent er war. Das Schwergewicht seiner Publikationen lag, neben bedeutenden historischen Arbeiten, auf dem Gebiet der Volkswirtschaftslehre. Er hat Zeitschriften gegründet und herausgegeben (›Soziale Praxis‹, ›Berliner Jahrbuch für Handel und Industrie‹), und er begann sein großangelegtes, wenn auch unvollendet gebliebenes Werk ›Sozialpolitik und Verwaltungswissenschaft‹ (I, 1902), in dem er, an die Tradition der Kameralwissenschaft anknüpfend, die Sozialpolitik in die Verwaltungswissenschaft eingliederte. In seinen Veröffentlichungen vor dem 1. Weltkrieg hat er sich für die Anerkennung der Gewerkschaften, für die Koalitionsfreiheit, für die Verkürzung der Arbeitszeit und für die Förderung der Gewerbegerichte eingesetzt. Im Kriege hat er eine allgemeine Vermögensabgabe verlangt. Diese Forderung ist in einer sehr verkrüppelten Form von der Reichsregierung verwirklicht worden. Seine Berichterstattung über den Arbeitsmarkt, die u.a. eine mengenmäßige Erfassung von Angebot und Nachfrage sowie Tabellen über Ernährungskosten enthielt, kann als ein Vorläufer der Konjunkturberichterstattung betrachtet werden.

Außer der Sozialpolitik interessierte ihn auch die nationalökonomische Theorie. Wir verdanken ihm Untersuchungen über Copernicus als Volkswirt und über den Zusammenhang zwischen dem Naturrecht und den Lehren Adam Smiths. Kurz vor seinem Tode vollendete er ein Buch über die Aufwertungsdebatte im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung über Metallismus und Nominalismus. J.s Alterswerk, die ›Weltgeschichte in einem Bande‹ (1932), ist wahrscheinlich sein bedeutendstes Buch, das die Darstellung der großen Zusammenhänge mit der Beschreibung der wichtigen Einzelheiten auf klassische Weise verbindet und in dem besonderer Wert darauf gelegt wird, die gegenseitigen Einwirkungen der Weltkulturen zu zeigen.«

Kauder, Emil, in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 366 f.

Bücher des Autors

2 Treffer

Ihr Verhältnis in Vergangenheit und Gegenwart. (Verwaltung, Interessenvertretung und Forschung. Sonderschriften des Reichsverbandes der Deutschen Volkswirte, Heft 7)

1930. VIII, 136 S.
Erhältlich als:  Buch, E-Book

ab 44,90 €


(Hrsg.)

Fünfzig Gutachten. (Schriften des Vereins für Sozialpolitik 160)

1920. XII, 450 S.
Erhältlich als:  Buch, E-Book

ab 119,90 €


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