Georg Friedrich Knapp

»Nationalökonom, Statistiker, Agrarhistoriker, * 7.3.1842 Gießen, † 20.2.1926 Darmstadt.

Knapp wuchs in einem Elternhaus auf, welches vielfältige geistige Anregungen vermittelte, und zeigte schon in der Jugend ein gleichmäßiges Interesse für die Natur- und Geisteswissenschaften. 1853 kam er nach München, als der Vater dort eine Professur übernahm. Hier begann er sein Studium der Physik, Chemie und vor allem der Nationalökonomie. Von München ging er nach Berlin und dann nach Göttingen, wo er 1865 bei Johann von Helferich mit einer Dissertation ›Zur Prüfung der Untersuchungen Thünens über Lohn und Zinsfuß im isolierten Staate‹ promoviert wurde; sein Wahlfach in der Doktorprüfung war Mathematik. Anschließend besuchte Knapp in Berlin die Lehrgänge des neugegründeten Statistischen Seminars von Ernst Engel. Die Statistik war damals eine noch junge Wissenschaft; ihr widmete er sich fortan mit Hingabe. Vor allem die Bevölkerungsstatistik bot ihm Gelegenheit, überzeugend darzutun, daß es sich bei der Statistik nicht um eine geistlose Zahlensammlung, sondern um die Darstellung von Problemen des Menschen und der Moral handelt. Seine erste beamtete Position erhielt Knapp 1867 als Leiter des Statistischen Amtes der Stadt Leipzig, wo er an der Volkszählung des gleichen Jahres mitwirkte. Er fand neben dieser Arbeit genügend freie Zeit, um die Schrift ›Ermittlung der Sterblichkeit aus den Aufzeichnungen der Bevölkerungsstatistik‹ (1868) zu verfassen. Um seinen Weggang nach Dorpat zu verhindern, übertrug man ihm 1869 neben der Leitung des Statistischen Amtes eine außerordentliche Professur für Statistik an der Universität Leipzig. So ergriff Knapp mit einer Antrittsrede über Moralstatistik den von ihm innerlich gewünschten Beruf des Hochschullehrers. 1874 folgte er einem Ruf als ordentlicher Professor an die Universität Straßburg. Hier wirkte er – unter anderem neben Brentano und Schmoller – bis 1918 als erfolgreicher akademischer Lehrer (1891/92 und 1907/08 Rektor). 1919 siedelte er zu seinen Kindern nach Darmstadt über und verbrachte hier die letzten Lebensjahre.

Knapps wissenschaftliches Werk läßt eine deutliche Dreiteilung erkennen. Mit seinen systematischen Arbeiten zur Statistik schuf er insbesondere die Grundlagen der Sterblichkeitsmessung. Zugleich führte er eine Auseinandersetzung mit dem philosophischen Determinismus, indem er die Frage stellte, ob der Mensch unentrinnbaren statistischen Gesetzen unterworfen sei oder ob er einen freien Willen besitze und deshalb für sein Tun verantwortlich gemacht werden könne. Er gelangte zu dem Schluß, daß das Individuum trotz seiner Verknüpfung mit der von statistischen Regelmäßigkeiten gekennzeichneten Gesellschaft in seinen Entschlüssen frei sei. – Während der Straßburger Lehrtätigkeit begann Knapp, sich agrarhistorischen Studien zuzuwenden. Die Entstehung des gutsherrlichen Großbetriebes in Ostdeutschland, von dem er die Grundherrschaft des Westens abgrenzte, sowie die ländlichen Arbeitsverhältnisse waren hier seine Hauptthemen, wobei er besonders Preußen und Österreich ins Auge faßte. Seine agrargeschichtlichen Arbeiten – etwa das 2bändige Werk ›Die Bauernbefreiung und der Ursprung der Landarbeiter in den älteren Teilen Preußens‹ (1887, 1927) – sind klassische Darstellungen geblieben. – Im Alter wandte sich Knapp der Geldtheorie zu und fand hier ein Arbeitsgebiet, auf dem er seine vielfältigen wissenschaftlichen Neigungen zusammenfassen konnte. Weltweites Aufsehen erregte er, als er 1905 sein bedeutendstes Werk ›Staatliche Theorie des Geldes‹ vorlegte. Darin stellte er die These auf, daß die Zahlungsmittel unabhängig von ihrer stofflichen Erscheinungsweise als Geschöpfe der staatlichen Rechtsordnung einzuschätzen seien; er forderte also im Gegensatz zum Metallismus, welcher den Geldwert aus dem Wert der Münzmetalle zu erklären versucht, ein rein funktionelles Verständnis. Das Buch löste sofort heftige Kontroversen aus, weil es eine Papiergeldinflation zu befürworten schien. Als Tendenzanalyse kommt ihm an einem Krisenpunkt der Währungsgeschichte eine erhebliche Bedeutung zu, und es hat auf viele Nationalökonomen anregend gewirkt.

Knapp war Mitbegründer des Vereins für Socialpolitik, ohne freilich als Sozialpolitiker sonderlich hervorzutreten. Als Nationalökonom kann er der jüngeren historischen Schule zugerechnet werden. Darüber hinaus war Knapp, der sich selbst vor allem als Anreger verstand, durch seine besondere Fähigkeit zur Verbindung von historischer und systematischer Betrachtung ein Wegbereiter der Nationalökonomie des 20. Jahrhunderts.«

Braeuer, Walter, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 152–153

Bücher des Autors

13 Treffer

Nach dem Leben gezeichnet. Festrede, gehalten in der bayerischen Akademie der Wissenschaften am 11. März 1903

1942. 16 S.
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und der Ursprung der Landarbeiter in den älteren Theilen Preußens. Erster Band: Überblick der Entwicklung. (Ausgewählte Werke, Band II)

1927. 2., unveränd. Aufl. mit einem Vorwort von Carl Johannes Fuchs.. XIX, 352 S.
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Siebenundzwanzig Beiträge zur Sozialwissenschaft. (Ausgewählte Werke, Band I)

1925. Frontispiz; V, 390 S.
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1923. 4., durchges. Aufl.. Tab.; XVI, 461 S.
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1921. 3., durchges. und verm. Aufl.. Tab.; XVI, 462 S.
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1918. 2., durchges. und verm. Aufl.. Tab.; XVI, 457 S.
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in Knechtschaft und Freiheit. Gesammelte Vorträge

1909. 2., verm. Aufl.. VII, 118 S.
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Vorträge nebst biographischen Beilagen

1897. IV, 165 S.
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in Knechtschaft und Freiheit. Vier Vorträge

1891. IV, 93 S.
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in den älteren Theilen Preußens. Erster Theil: Ueberblick der Entwicklung

1887. Tab.; VIII, 352 S.
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in den älteren Theilen Preußens. Zweiter Theil: Die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse von 1706 bis 1857, nach den Akten

1887. VIII, 473 S.
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Nach amtlichen Quellen dargestellt

1869. Tab.; VIII, 207 S. (davon 88 S. Tab.-Anhang).
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