Fritz Redlich

»Wirtschafts- und Unternehmenshistoriker, * 7.4.1892 Berlin, † 21.10.1978 Newton (Massachusetts, USA). (evangelisch)

Nach dem Abitur in Berlin 1910 und dem im selben Jahr aufgenommenen Chemiestudium in Berlin und München (Verbandsexamen 1912 TH Charlottenburg) studierte R. seit 1912 in Berlin Nationalökonomie u.a. bei Gustav Schmoller und Ignaz Jastrow (Examen 1914), ferner Geschichte und Staatswissenschaften u.a. bei Otto Hintze und Gerhard Anschütz. Bei Heinrich Herkner 1914 mit der Dissertation ›Die volkswirtschaftliche Bedeutung der dt. Teerfarbenindustrie‹ (1914) promoviert, leistete R. anschließend vier Jahre Kriegsdienst. 1919 schloß er sich der DVP an. Entgegen seiner Neigung trat er in das väterliche Unternehmen ein, das er 1927 wieder verließ. Zur Sicherung des Lebensunterhalts organisierte und leitete er seit 1931 als Geschäftsführer die Fellverwertungsgenossenschaft Dt. Pelztierzüchter und arbeitete daneben wissenschaftlich. Ein erster Habilitationsversuch mit einem handelsgeschichtlichen Thema scheiterte nach 1930 an Widerständen in der Fakultät, den zweiten an der Berliner Fakultät gestellten Antrag mit der 1933 fertiggestellten Schrift über ›Reklame als geschichtliches und ökonomisches Phänomen‹ (gedr. 1935) zog R. nach der nationalsozialistischen Machtergreifung zurück. Daneben begann sich R. mit der Geschichte des dt. Unternehmertums zu beschäftigen.

Im März 1936 emigrierte R. in die USA. Nach kurzen Zwischenstationen als Lehrer in Pennsylvania und Michigan war er 1937–42 Dozent an der Mercer University (Georgia). Er hielt auch Kontakte zur Harvard University, wo Joseph A. Schumpeter (1883–1950) und Frank Taussig (1859–1940) ihn zur Fortsetzung seiner unternehmergeschichtlichen Studien ermutigten. 1942 erwarb R. die US-Staatsbürgerschaft und erhielt im selben Jahr eine feste Anstellung bei der ›Federal Public Housing Authority‹ in Boston. 1947/48 ao. Professor am Massachusetts State College, war er 1948–50 Direktor in der Wohnungsbehörde des Staates Massachusetts. Neben vielen kleineren Publikationen legte R. in dieser Zeit ein bankengeschichtliches Werk vor (The Molding of American Banking, 2 Bde., 1947/51, Neudr. 1968). Auf Einladung von Arthur H. Cole trat er 1950 als Senior Associate in das ›Research Center in Entrepreneurial History‹ an der Harvard University ein, dem er bis zu dessen Schließung 1958 angehörte. Hier entstand sein Hauptwerk ›The German Military Enterpriser and his Work Force‹ (2 Bde., 1964 f.). R. gelangte auch in Deutschland schnell zu Anerkennung und Einfluß insbesondere auf die Unternehmer- und Unternehmensgeschichte, eine Rückkehr lehnte er jedoch ab; nach seiner Emeritierung lebte und forschte er weiter in Harvard.

Gleichermaßen Wirtschafts- und Sozialhistoriker und stark beeinflußt von Max Weber und Werner Sombart, suchte R. die Vorzüge der in Deutschland erlernten historischen Arbeitsmethodik mit theoretischen Ansätzen der amerik. Sozialwissenschaften zu verbinden und die historische Erscheinung des Unternehmers als persönliches Element des wirtschaftlichen Geschehens typologisch und vergleichend zu erfassen (Entrepreneurial Typologie, in: Weltwirtschaftl. Archiv 82, 1959). R. beeinflußte von seinen amerik. Kollegen v.a. Alfred D. Chandler.«

Jaeger, Hans / Maria Schimke, in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 248–249

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