Friedrich Oetker

»Prozeß- und Strafrechtler, * 6.5.1854 Kassel, † 25.4.1937 Würzburg.

O. studierte seit 1872 in Göttingen, seit 1974 in Leipzig die Rechte und promovierte 1876 bei dem Strafrechtler Karl Binding (1841–1920) zum Dr. iur. Nach Ableistung des Referendardienstes und Ernennung zum Gerichtsassessor 1883 war er bald darauf als Rechtsanwalt in Kassel tätig. Nach kurzer Privatdozentur an der Univ. Marburg seit Herbst 1884 wurde er ein Jahr später ao. Professor in Bonn, 1888 Ordinarius in Rostock, 1895 in Würzburg, 1900 in Marburg und 1902 wieder in Würzburg (1906/07 Rektor, 1934 emeritiert).

Als entschiedener Vertreter der ›klassischen‹ Strafrechtsschule sah O. den Grund der Strafe in der begangenen Tat und nicht in der gefährlichen Tätergesinnung, den Zweck der Strafe in der repressiven Vergeltung und nicht in der präventiven Sicherung oder Besserung. Zutreffend erblickte er in einer solchen Reaktion auf das Verbrechen die ›Rechtsstrafe‹; denn sie dient auch der Rechtssicherheit besser als ein dem Irrtum ungleich mehr ausgesetztes Täter- und Vorbeugungsrecht. Die Vergeltung wollte O. aber nicht nur im ›negativen‹ Sinne als Ausgleich einer Übeltat durch Übelszufügung, sondern auch im ›positiven‹ Sinne als Entgelt eines Wohlverhaltens durch eine Wohltat berücksichtigt wissen, so. z.B. bei der Frage der Rehabilitation Verurteilter. Seit 1904 war O. Mitherausgeber und Mitredaktor der Zeitschrift ›Der Gerichtssaal‹ (GerS). Auf seine Initiative hin wurde 1925 in Würzburg – als Gegengewicht zur ›Internationalen kriminalistischen Vereinigung‹ und zur ›soziologischen‹ Strafrechtsschule – die ›Deutsche strafrechtliche Gesellschaft‹ gegründet. Auch die früheren ›Würzburger Abhandlungen zum deutschen und ausländischen Prozeßrecht‹ hat er 1909 zusammen mit dem nach 1933 aus rassischen Gründen emigrierten Völkerrechtler Albrecht Mendelssohn-Bartholdy (1874–1936) ins Leben gerufen. In der im Weimarer Staat noch strittigen Frage, ob sich das Verbot rückwirkender Strafgesetze nur auf die Strafvoraussetzungen oder auch auf die Deliktsfolgen, d.h. die Strafschärfung bezieht, haben sich O. und die Strafrechtler Johannes Nagler (1876–1951) und Hellmuth v. Weber (1893–1970) in einem etwas zwiespältigen und verklausulierten Gutachten vom 4.3.1933 für den Reichstagsbrand-Prozeß zugunsten der ersten Alternative ausgesprochen, jedoch auch auf die Bedenken gegen eine rückwirksnde Strafschärfung (hier Todesstrafe) hingewiesen.

O. war schon auf Grund der Familientradition ein rechtlich und auch liberal gesinnter, zugleich aber betont national und konservativ eingestellter Gelehrter, der sich nicht mit dem Ausgang des 1. Weltkrieges abfinden konnte. 1914 hatte er sich 60jährig freiwillig zum Heeresdienst gemeldet, den er, allerdings nicht an der Front, bis Frühjahr 1918, zuletzt als Hauptmann, ableistete. Nach 1918 trat er in die DNVP, 1933 in die NSDAP ein. Er wurde nach 1933 Vorsitzender des Ausschusses für Strafprozeßrecht der Akademie für Deutsches Recht. O. war ein zu seiner Zeit angesehener Strafrechtler, dessen weit über 200 Veröffentlichungen oft der wissenschaftlichen ›Kleinarbeit‹ an einzelnen Fragen galten und z.T. infolge von Gesetzesänderungen nicht mehr aktuell sind.«

Spendel, Günter, in: Neue Deutsche Biographie 19 (1998), S. 469 f.

Bücher des Autors

1 Treffer

(Hrsg.)

(Des Handbuchs des Strafprozesses von Julius Glaser dritter Band). Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Neunte Abteilung, vierter Teil, dritter Band. Hrsg. von Karl Binding

1907. XIV, 752 S.
Erhältlich als:  Buch, E-Book

ab 199,90 €


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