Ernst Francke

»Francke, Ernst, Sozialpolitiker, * 10.11.1852 Coburg, † 23.12.1921 Freiburg im Breisgau.

Die Auswahl seiner Paten (Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha, E. M. Arndt, M. A. von Bethmann Hollweg, J. G. Droysen) kennzeichnet bereits die geistig-politische Umwelt des Knaben. Nach Abbruch seines philosophischen, naturwissenschaftlichen und volkswirtschaftlichen Studiums lebte er zunächst als Hauslehrer in Sankt Petersburg und ergriff dann den Journalistenberuf (1877). Schon 4 Jahre später wurde er als Chefredakteur bei den ›Münchener Neuesten Nachrichten‹ eingestellt, die sich unter seiner hervorragenden 12jährigen Leitung zu einem führenden Blatt im süddeutschen Raume entwickelten. In diese Zeit fiel die für Franckes weiteren Werdegang so bedeutsame Begegnung mit L. Brentano, der ihn während des erneut aufgenommenen Studiums für die praktische Sozialpolitik interessierte und bei dem Francke 1893 promovierte. Der verabschiedete preußische Handelsminister H. Freiherr von Berlepsch betraute den wissenschaftlich wie organisatorisch sehr begabten Francke auf Anraten G. Schmollers 1897 mit der Herausgabe der Zeitschrift ›Soziale Praxis‹. Sie griff in jene vielschichtigen Auseinandersetzungen ein, die aus der sozialen Frage, dieser Achillesferse des Wilhelminischen Deutschlands, ständig erwuchsen. Infolge des hohen wissenschaftlichen und persönlichen Ranges seiner Mitarbeiter gewann dieses Sprachrohr der bürgerlichen Sozialreformer an öffentlichem Einfluß; mit der Geschichte der Zeitschrift, deren Herausgeber Francke bis zu seinem Tode blieb, ist ein wesentlicher Teil seines Lebenswerkes verbunden. 1901 schlossen von Berlepsch und Francke die zahlreichen Gleichgesinnten zur ›Gesellschaft für soziale Reform‹ zusammen, die – mit Francke als Generalsekretär – 1918 etwa 4½ Millionen persönliche und korporative Mitglieder zählte. Daneben warb Francke im Sinne eines national gestimmten Liberalismus publizistisch für die Außenpolitik des Reichskanzlers von Bülow und für die deutsche Flottenpolitik. Der politische Tageskampf um diese Fragen zog ihn allerdings weit weniger an als die nationale und auch internationale Sozialreform, wie seine Tätigkeit als Vorsitzender des ›Volksbundes für Freiheit und Vaterland‹ während des Weltkrieges zeigte. Gerade die Kriegszeit gab ihm reichlich Gelegenheit, sich für die Gleichberechtigung der Arbeiterschaft einzusetzen. Sein lauteres und sachverständiges Bemühen setzte Francke in der Weimarer Republik durch seine Mitgliedschaft im vorläufigen Reichswirtschaftsrat, in der ersten Sozialisierungskommission und anderen Einrichtungen fort.«

Hoepke, Klaus-Peter, in: Neue Deutsche Biographie 5 (1961), S. 325 f.

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