Edgar Salin

»Nationalökonom, * 10.2.1892 Frankfurt/Main, † 17.5.1974 Veytaux/Genfer See bei Montreux (Kanton Vaud). (jüdisch)

S. besuchte 1901–10 das Goethe-Gymnasium in Frankfurt/M., anschließend studierte er in Heidelberg, München und Berlin Nationalökonomie und Jurisprudenz, daneben auch Philosophie, Kunst- und Literaturgeschichte. 1913 wurde er in Heidelberg bei Alfred Weber zum Dr. phil. promoviert (Die wirtschaftl. Entwicklung v. Alaska u. Yukon Territory, Ein Btr. z. Gesch. u. Theorie d. Konzentrationsbewegung). Nach dem Kriegsdienst seit 1914 und schwerer Verwundung 1918 wurde er noch im selben Jahr Referent in der politischen Abteilung der dt. Gesandtschaft in Bern, verließ jedoch den Auswärtigen Dienst 1919 zugunsten einer akademischen Laufbahn: 1920 habilitierte er sich in Heidelberg mit der staatspolitischen Studie ›Piaton und die griech. Utopie‹ (1921). 1924 wurde S. ao. Professor in Heidelberg, 1927 lehrte er als Gastprofessor in Kiel. Seit 1927 bis zu seiner Emeritierung 1962 wirkte er in der Nachfolge von Julius Landmann als o. Professor für Nationalökonomie an der Univ. Basel (Rektor 1961/62). 1928–37 Präsident des Staatlichen Einigungsamtes der Stadt Basel, machte er sich auch in der regionalen Praxis durch erfolgreiche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen verdient.

Unter den Schriften S.s hat seine ›Geschichte der Volkswirtschaftslehre‹ (1923, 1967 u.d.T. Polit. Ök., Gesch. d. wirtsch.pol. Ideen v. Piaton bis z. Gegenwart) die größte Nachwirkung, da S. hier erstmals nicht nur Dogmen- und Geistesgeschichte, sondern auch Kulturgeschichte schrieb. In der Tradition von Alexis de Toqueville, Friedrich List, Karl Marx und beeinflußt von Max und Alfred Weber plädierte er für eine historisch, soziologisch und philosophisch ausgerichtete, wirklichkeitsnahe politische Ökonomie (›anschauliche Theorie‹). Damit richtete er sich gegen die Rezeption der amerik.-engl. Neoklassik im dt. Sprachgebiet nach 1945. S. arbeitete kontinuierlich auch über währungstheoretische und internationale währungspolitische Fragen; seine ursprünglich umstrittenen Prognosen und Forderungen nach einem ›Alignement der Währungen‹ wurden durch die Entwicklung der Weltwährungspolitik schließlich bestätigt. Bereits Ende der 1940er Jahre setzte er sich mit den Fragen einer europ. Währungsunion auseinander und forderte als deren Voraussetzung eine Harmonisierung der europ. Wirtschafts-, Verkehrs-, Sozial- und Bildungspolitik. S. vertrat, v.a. in Fragen der Währungspolitik, auch keynesianische Positionen. Er gilt als einer der bedeutendsten Kritiker des Ordoliberalismus, besonders Wilhelm Röpkes (1899–1966). 1925 war er Initiator und Mitbegründer der (alten) ›Friedrich List-Gesellschaft‹ (bis 1935) wie auch 1954 der neuen ›List-Gesellschaft‹ (Schriftführer bis 1972), ferner Mitherausgeber der 10bändigen Gesamtausgabe der Schriften, Reden und Briefe von Friedrich List. 1947 rief er die internationale Zeitschrift für Sozialwissenschaften ›Kyklos‹ auf genossenschaftlicher Basis ins Leben. Im engen Verbund mit der Univ. Basel und der List-Gesellschaft gründete S. 1959 die ›Prognos‹, ein nach wie vor bestehendes Beratungsunternehmen zur Verknüpfung von Wirtschaftswissenschaft und Praxis. Zu S.s Schülern zählen u.a. Garl Christian v. Weizsäcker (* 1938) und René Frey (* 1939). S. war als Übersetzer von Schriften Piatons tätig und hatte intensive Kontakte zu Stefan George (1868–1933), dessen Kreis er zeitweilig angehörte.«

Föllmi, Anton, in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 372–373

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