Theodor Gottlieb von Hippel

»Kommunalpolitiker, Schriftsteller, * 31.1.1741 Gerdauen (Ostpreußen), † 23.4.1796 Königsberg (Preußen).

Hippel bezieht als 15jähriger die Universität Königsberg. Nach 4 Jahren Theologiestudium begleitet er 1760 den russischen Offizier von Keyser auf eine politische Mission nach Rußland. Der Aufenthalt im vornehmen und freigeistigen Vaterhaus Keysers in Kronstadt bewegt ihn, der theologischen Laufbahn zu entsagen und mit dem Studium der Jurisprudenz zu beginnen. 1768 wird Hippel Advokat beim Königsberger Stadtgericht, später beim Hofgericht, anschließend Stadtrat und Direktor des Kriminalgerichts. 1780 wird er Mitglied der Kommission, die die Einführung des preußischen Landrechts vorbereitet. Im selben Jahr erfolgt Hippels Wahl zum dirigierenden Bürgermeister von Königsberg und seine Ernennung zum Kriegsrat. 1786 wird er zum Geheimen Kriegsrat und Stadtpräsidenten befördert. Ein ehrenvoller politischer Auftrag führt ihn 1795 nach Danzig, wo er die Stadt, die durch die 2. polnische Teilung an Preußen gefallen ist, in die preußische Verwaltung einbezieht. In Danzig befällt ihn eine böse Entzündung, er verliert ein Auge; auch sonst ist seit dieser Reise seine Gesundheit angegriffen. Er stirbt 1796 an der ›Brustwassersucht‹.

Über Hippels kommunalpolitische Tätigkeit waren die Zeitgenossen des Lobes voll. Seine Tüchtigkeit und Korrektheit erwarben ihm offizielle Auszeichnungen, darunter ein Belobigungsschreiben des Ministers von Carmer und eine persönliche Anerkennung durch König Friedrich Wilhelm II. Gerühmt wurde seine Rednergabe, der er durch Schauspielunterricht nachhalf und die ihm besonders bei seiner juristischen Tätigkeit zugute kam. Auch als Gesellschafter, der mit den illustren Köpfen Königsbergs, darunter Kant, verkehrte, war er eine ausgezeichnete Persönlichkeit. Seine reiche schriftstellerische Beschäftigung (alle Veröffentlichungen erfolgten anonym) hat er zeitlebens, bisweilen mit Hilfe hartnäckigen Leugnens, auch vor seinem Bekanntenkreis zu verbergen gewußt. So war, als nach seinem Tod sich seine literarische Zweitnatur enthüllte, nicht nur Erstaunen, sondern auch Ärger die Reaktion mancher prominenter Mitbürger, die sich jetzt bei genauerem Zusehen in den Romanen Hippels porträtiert fanden.

Es ist die schriftstellerische Leistung, der Hippel seinen Nachruhm verdankt. Er schrieb 2 Lustspiele im französischen Geschmack: ›Der Mann nach der Uhr‹ (1760), ›Die ungewöhnlichen Nebenbuhler‹ (1763) und eine Anzahl Episteln, Oden und vor allem geistliche Lieder, mehrere kleinere juristische Schriften, die aus regionalen Anlässen und zur Verbesserung der Königsberger Kommunalordnung entstanden sind. Wichtiger ist ein großes staatsrechtliches Werk ›Über Gesetzgebung und Staatenwohl‹ (aus dem Nachlaß 1804), das den frühen Einfluß Rousseaus und Montesquieus verrät, aber nicht vollendet wurde. Am bekanntesten und für die Folgezeit wirkungsvollsten wurde Hippel durch 2 voluminöse Romane: ›Lebensläufe in aufsteigender Linie‹ (1778–81) und ›Die Kreuz- und Querzüge des Ritters A–Z‹ (1793/94). Besonders die ›Lebensläufe‹ wirkten auf die deutsche Romanliteratur ein. Für Jean Paul waren sie Muster. Sie vor allem verpflanzten die neuartige, causeriedurchsetzte, den Leser mit Fragen, Mutmaßungen und Kommentaren überschüttende Romanform des Engländers Laurence Sterne nach Deutschland. In der konsequent durchgehaltenen Ich-Form und seinem programmatischen Fragmentarismus ragt der Roman über die übrige Produktion der Zeit hinaus. Interessant aus der Feder des Verwaltungsbeamten ist die Hauptthese des Romans zu lesen, daß Gefühl und Herz die staatlich-gesellschaftlichen Institutionen der Verwaltung, der Schule, des Gerichts überflüssig machten: ›Empfindsamkeit … schützt vor Zügellosigkeit‹. Die Spannung, die Hippel – einerseits Beamter, andrerseits Dichter, beides in strenger Trennung – in seiner Person austrug, spiegelt sich auch in seinem bedeutendsten Werk. ›Seinem zerrissenen Bild der Welt und der Menschen entspricht die einerseits satirische, an der Gesellschaft interessierte und andrerseits empfindsame, der Gesellschaft entrückte Darstellung‹ (E. D. Becker). Das Gegeneinanderspielen dieser beiden Momente ergibt keine realistischen, sondern – hierin vor allem wirkte Hippel über Jean Paul ins 19. Jahrhundert – einen humoristischen Stil.

Nicht dieselbe Bedeutung ist dem 2. Roman zuzusprechen, einer an Sterne und Cervantes angelehnten Don Quichotteade, in der Orden und Geheimbünde der Satire preisgegeben werden. Hippels Buch ›Über die Ehe‹, erstmals 1774 erschienen, erfuhr 4 Umarbeitungen, in denen Hippel – selbst Junggeselle – in einzelnen Fragen immer mehr zu einem Vorkämpfer der Frauenemanzipation wurde und das patriarchalische Ehewesen bisweilen humorvoll angriff. Seine Schrift ›Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber‹ (1792) setzte diese Gedanken später fort.«

Forstreuter, Kurt, in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 202 f.

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