Karl Rosenkranz

»Philosoph, * 23.4.1805 Magdeburg, † 14.6.1879 Königsberg (Ostpreußen), begragen Königsberg (Ostpreußen), Neuroßgärter Friedhof. (französisch-reformiert)

Nach dem Besuch der Cantor- und der Altstadtschule ging R. 1816 an das Pädagogium des Klosters Unser Lieben Frauen in Magdeburg und legte 1824 das Abitur ab. Anschließend studierte er in Berlin, 1826 in Halle/ Saale, seit 1827 in Heidelberg dt. Philologie, Philosophie und Theologie. 1828 in Halle mit einer Abhandlung über die Periodisierung der dt. Nationalliteratur promoviert, habilitierte er sich im selben Jahr mit einer Arbeit über die Philosophie Spinozas (ao. Prof. 1831). Durch den Einfluß Johannes Schulzes (1786–1869) erhielt er 1833 einen Ruf als o. Prof. an die Univ. Königsberg (viermal Prorektor). Zu seinen Schülern zählten Ferdinand Gregorovius (1821–91), Rudolph v. Gottschall (1823–1909) und Wilhelm Jordan (1819–1904). Insbesondere mit Vertretern des ostpreuß. Liberalismus wie dem Oberpräsidenten von West- und Ostpreußen Theodor v. Schön (1773–1856) stand er in persönlicher Beziehung. 1848 wurde R. zum vortragenden Rat im Ministerium von Rudolf v. Auerswald (1795–1866) mit dem Rang eines Rates I. Kl. ernannt. Sein Abgeordnetenmandat in der 1. Kammer des preuß. Landtags, das er im Febr. 1849 erhielt, legte er im Juni nieder und kehrte im November auf seinen Lehrstuhl zurück. In seinen letzten Lebensjahren erblindete R., so daß er 1874 seine universitäre Arbeit einstellen mußte.

R.s wissenschaftliches Interesse war zunächst literaturgeschichtlich ausgerichtet und von dem Ideengut dt. Romantiker (Steffens, Schleiermacher, Schelling, Tieck) geprägt. Durch den Einfluß seiner Universitätslehrer Karl Daub (1765–1836) und Hermann Friedrich Wilhelm Hinrichs (1794–1861) trat die Philosophie Hegels (1770–1831), dessen unmittelbarer Schüler er nie war, in den Vordergrund. Die Vermittlung der Hegelschen Lehren auf den Gebieten der Literatur- und Kulturwissenschaft, Theologie und Politik war zeitlebens R.s Anliegen. 1844 erschien sein bedeutendstes Werk, die Biographie ›G. W. F. Hegels Leben‹ (Neudr. 1998), an der er seit 1839 gearbeitet hatte. R. betrachtete Hegel in seiner ›Geschichte der Kant'schen Philosophie‹ (1840, hg. v. S. Dietzsch, 1987) als Vollender und Überwinder Kants, erkannte als Erster die Bedeutung Schopenhauers für die Kant-Rezeption, lehnte aber den Pessimismus und Irrationalismus von dessen Schülern in den 50er und 60er Jahren ab. Von der politischen Linken der Hegelschule trennte er sich Anfang der 40er Jahre nach einem Zerwürfnis mit Arnold Rüge (1802–80). Im Gegensatz zu zahlreichen Vertretern des Jungen Deutschlands – wie z.B. Karl Gutzkow (1811–78) –, mit denen er in engem Kontakt stand, mißbilligte er deren Ablehnung Goethes.

R., der die Zeit nach der 48er-Revolution als Bruch mit der Vergangenheit empfand, widmete sich zunächst der systematischen Philosophie. In ›System der Wissenschaft‹ (1850) und in ›Wissenschaft der logischen Idee‹ (2 Bde., 1858/59, Neudr. 1972) treten die Unterschiede zum Denken Hegels deutlich hervor. R.s phil. System ist statisch, undialektisch und wird von einem Harmoniegedanken geleitet. Das Negative dient nur der Vollständigkeit der Form und kann nicht zur Wirkung gelangen. Nach den vernichtenden Kritiken, die seine systematischen Werke durch Karl Ludwig Michelet (1801–93) und Ferdinand Lassalle (1825–64) erfuhren, betrachtete er sich selbst als ›feierlich enthegelt‹, wandte sich in den 60er Jahren der franz. Literaturgeschichte zu und verfaßte eine Biographie über Diderot (1866) sowie zahlreiche Aufsätze über Schriftsteller der franz. Aufklärung. Großen Einfluß besaß R. auf die ital. Philosophen Augusto Vera (1813–85), Raffaele Mariano (1840–1912) und Floriano del Zio (1831–1914) und in denUSA auf Anhänger der von William Torrey Harris (1835–1909) begründeten St. Louis School of Thought.«

Butzlaff, Joachim, in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 70–71

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