Oskar Bülow

»Jurist, * 11.9.1837 Breslau, † 19.11.1907 Heidelberg. (evangelisch)

Nach Studien in Heidelberg, Berlin und Breslau (Habilitation in Heidelberg 1863) wurde Bülow 1865 in Gießen außerordentlicher, 1867 ordentlicher Professor für römisches Recht und Zivilprozeß. 1872 ging er nach Tübingen, 1885 nach Leipzig. Infolge eines Herzleidens bereits 1892 emeritiert, erlebte er in Heidelberg die wohl reichste Periode wissenschaftlicher Tätigkeit.

Die wissenschaftlichen Arbeiten Bülows liegen fast durchweg auf dem Gebiet des Zivilprozesses und zeigen eine besondere Neigung zur Dogmatik und Begriffsbildung, während praktische Gesichtspunkte zurücktreten, wohl eine Folge seiner rein akademischen Tätigkeit. Er führte den Begriff der Prozeßvoraussetzungen in die Rechtswissenschaft ein, der, wenn auch weiter entwickelt, noch heute von Bedeutung ist. Um den Prozeß in seinem gesamten Verlauf zu erfassen, bemühte er sich um einen zentralen beherrschenden Begriff und fand ihn im Prozeßrechtsverhältnis. Dagegen lehnte er den aus ähnlicher Zielsetzung herausgebildeten Begriff des Rechtsschutzanspruchs ab. Die Überspitzung des Willensmomentes bei der Erklärung des Geständnisses suchte er durch die Auffassung desselben als reine Wissenserklärung zu widerlegen. Wichtig war auch seine Verneinung prozessualer Handlungspflichten der Parteien; er bahnte dem Begriff der bloßen Lasten den Weg.

Bülow befaßte sich insbesondere auch mit dem Verhältnis von Gesetzesrecht und Rechtsprechung. Wertvoll bleibt sein Hinweis darauf, daß die Tätigkeit des Richters durchaus sich nicht in bloß logischer Subsumtion unter die Gesetzesvorschriften erschöpft. Wenn auch Bülow als Rechtsdenker in vielen Einzelheiten überholt ist, so bleibt er doch ein großer Anreger für die Entwicklung der Prozeßrechtswissenschaft.«

Lent, Friedrich, in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 739

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