Fritz Karl Mann

»Finanzwissenschaftler, * 10.12.1883 Berlin, † 14.9.1979 Washington D. C. (USA). (evangelisch)

Nach dem Besuch des Joachimsthalschen Gymnasiums studierte M. zunächst in Freiburg i.Br., München und Berlin Jura, legte 1905 beim Kammergericht Berlin das Referendarexamen ab und promovierte 1906 in Göttingen mit einer Arbeit über die Verpfändung von Wechseln zum Dr. iur. Anschließend studierte er Sprachen an der Univ. London und Geschichte, Philosophie und Nationalökonomie in Paris und Berlin, wo er 1913 mit der großen Studie ›Der Marschall Vauban und die Volkswirtschaftslehre des Absolutismus‹ promoviert wurde. Im Juli 1914 wurde er Privatdozent für die wirtschaftlichen Staatswissenschaften an der Univ. Kiel. Während des Krieges stand er als Kavallerieoffizier der Reserve zunächst an der Front, um dann 1917 nach Rumänien in die Verwaltung des besetzten Landes einzurücken. 1918 gehörte er zur deutschen Delegation für die deutsch-rumän. Friedensverhandlungen. Damals entstand sein Buch ›Kriegswirtschaft in Rumänien‹ (auch rumänisch), das bereits seine strikten geldpolitischen Vorstellungen enthält.

Nachdem M. schon 1919 einen Lehrstuhl an der Univ. Breslau verwaltet hatte, wurde er 1920 ao. Professor in Kiel und 1922 Ordinarius in Königsberg und zugleich Direktor des Instituts für ostdeutsche Wirtschaft. Er war 1924–36 auch Mitglied der Herder-Gesellschaft in Riga. 1926 berief ihn derpreuß. Kultusminister auf den ersten deutschen Lehrstuhl für Finanzwissenschaft an der Univ. Köln. Damit war auch das Lehrgebiet Geld, Kredit und Konjunkturen verbunden. 1927 gründete M. an der Kölner Universität das Institut für internationale Finanzwirtschaft, das anfangs vorwiegend die internationale Verschuldung und die Reparationsfrage erforschen sollte, später aber ohne spezielle Aufgabenstellung als finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut weitergeführt wurde. In M.s Kölner Ordinarienzeit (1932 Dekan) entstanden neben vielen Aufsätzen die Bücher ›Deutsche Finanzwirtschaft‹ (1929), ›Die Staatswirtschaft unserer Zeit‹ (1930) und ›Steuerpolitische Ideale, vergleichende Studien zur Geschichte der ökonomischen und politischen Ideen und ihres Wirkens in der öffentlichen Meinung 1600–1935‹ (1937). Aber schon 1935 wurde der Lehrtätigkeit des den Nürnberger Rassegesetzen nicht voll genügenden ›Frontariers‹ ein Ende gesetzt, angeblich, weil der Lehrstuhl eingespart werden sollte, womit einer damals verbreiteten Opposition gegen die Verselbständigung des Faches Finanzwissenschaft entsprochen wurde.

M. wanderte 1936 mit seiner Familie nach den Vereinigten Staaten aus. Er fand noch im selben Jahr eine neue Hochschultätigkeit an der American University in Washington D.C. Dort war er 1948–54 Chairman des Department of Economics and Business Administration. Außerdem leitete er 1945–56 das Institute of Federal Taxes. 1956 wurde er in Washington emeritiert, las aber (wie bereits seit 1952) noch viele Jahre während der Sommersemester in Köln. Ganz nach Deutschland zurückkehren wollte er allerdings nicht. Die amerikan. Kriegswirtschaftspolitik machte sich seine Erfahrungen aus dem 1. Weltkrieg zunutze und verwendete M. 1943/44 als Direktor des Industriekollegs der Streitkräfte.

In Köln führte die Nachbarschaft zu Leopold v. Wieses Soziologie M., der schon mit der seit 1923 aufgenommenen Lehre von der Steuerabwehr gesellschaftswissenschaftliche Akzente gesetzt hatte, zum Aufbau der Finanzsoziologie. Hier ist auch seine Forschung über die Intermediären Finanzgewalten, moderne Formen des versteckten öffentlichen Bedarfs, anzusiedeln. Die Beiträge dazu sind am ausführlichsten zusammengefaßt in dem 1959 erschienenen Buch ›Finanztheorie und Finanzsoziologie‹ und, in den Gesamtbau der Finanzwirtschaftslehre eingefügt, in seinem letzten Buch ›Der Sinn der Finanzwirtschaft‹ (1977), in dem er die Finanzpolitologie, die Finanzökonomik und die Finanzsoziologie als gleichgewichtige Abschnitte der Staatswirtschaftslehre nebeneinander stellt. Hervorzuheben ist noch M.s Hilfe für J. A. Schumpeter, einmal bei der akademischen Wiederverwendung des in Wien als Finanzminister und als Bankier gescheiterten Gelehrten auf einem staatswissenschaftlichen Lehrstuhl an der Bonner Universität und zum anderen bei der Herausgabe von dessen Werken, insbesondere der deutschen Fassung der ›Geschichte der ökonomischen Analyse‹ (1965). Hierbei kamen M. eigene Forschungen und Veröffentlichungen zur Geschichte der Volkswirtschaftlichen Lehrmeinungen zugute. – Dr. rer. pol. h. c. (Frankfurt/M. 1959 u. Tübingen); Großes Bundesverdienstkreuz; Mitgl. d. Königsberger Gel. Ges. (1926–36), American Acad. of Political and Social Sciences.«

Herrmann, Walther, in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 55–56

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