Ludo M. Hartmann

»Historiker, österreichischer Politiker, * 2.3.1865 Stuttgart, † 14.11.1924 Wien. (konfessionslos)

Hartmann studierte in Wien und Berlin Geschichte, Rechtsgeschichte und Nationalökonomie (O. Hirschfeld, L. von Brentano, H. Breßlau und vor allem Th. Mommsen). Nach seiner Promotion 1887 in Berlin (De exilio apud Romanos) ging er nach Rom, 1888 nach Straßburg (P. Scheffer-Boichorst), besuchte das Institut für Österreichische Geschichtsforschung in Wien (Th. von Sickel) und wurde 1889 Dozent für römische und mittelalterliche Geschichte in Wien (1918 außerordentlicher, 1922 ordentlicher Professor). Nachdem er ursprünglich die Erforschung der französischen Revolution als seine Lebensaufgabe angesehen hatte, wandte er sich der Zeit des Übergangs vom Altertum zum Mittelalter in Italien zu, wobei ihn sozial-, siedlungs- und wirtschaftsgeschichtliche Fragen besonders fesselten. Zahlreiche Editionen und Veröffentlichungen zur italienischen Geschichte, besonders auch zur byzantinischen Verwaltung, erwuchsen daraus, vor allem seine nicht vollendete Geschichte Italiens im Mittelalter (Band I–IV, 1, 1897–1918). Sie führt von der Zeit der Goten bis in den Anfang des 11. Jahrhunderts

Schon sehr bald nach seiner Habilitation schloß sich Hartmann, ein Meister des Wortes, aus innerer Verpflichtung der Volksbildungsbewegung an. Er wurde Leiter der von der Universität eingesetzten Volksbildungskommission. 1900 entschloß er sich zur Gründung von Volkshochschulen in Wien (Volksheime genannt). Bei seinem Tode bestanden fünf mit mehr als 200 Lehrern und 12 000 ständigen Hörern in Österreich. Außerdem gehen auf ihn der Verein ›Freie Schule‹, die Frauenbildungs-Akademie ›Athenäum‹, ebenso auch die Salzburger Hochschulwochen und der Deutsche Hochschultag zurück. Aus dieser Tätigkeit heraus veröffentlichte er gemeinverständliche Abhandlungen wie ›Der Untergang der antiken Welt‹ (1910) und gab das Sammelwerk ›Weltgeschichte in gemeinverständlichen Darstellungen‹ (Band 1–7 und 10, 1919 ff.) heraus.

Schon 1901 schloß sich Hartmann der sozialdemokratischen Partei Österreichs an, ohne jedoch parteipolitisch besonders hervorzutreten. 1918 sorgte er, von V. Adler zum Archivbevollmächtigten für Österreich ernannt, für weitgehende Zugänglichmachung auch der Archivalien der jüngstvergangenen Zeit. Dezember 1918–November 1920 war er erster österreichischer Gesandter in Berlin. Er propagierte unter den deutschen Politikern den Anschlußgedanken und hatte großen Anteil an den deutsch-österreichischen Verhandlungen zum Anschlußprotokoll vom 2.3.1919. Als beratendes Mitglied des Staats- und Verfassungsausschusses in Weimar setzte er sich dafür ein, daß in der Verfassung die Möglichkeit des Anschlusses offen bleiben sollte und daß schwarz-rot-gold die Farben der deutschen Republik wurden. Hartmann war Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung Österreichs und des Bundesrates.«

Rieckenberg, Hans Jürgen, in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 737

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