Eugen Ehrlich

»Rechtssoziologe, * 14.9.1862 Czernowitz, † 2.5.1922 Wien. (israelitisch, dann katholisch)

Ehrlich studierte in Wien, habilitierte sich dort 1895 für römisches Recht und lehrte von 1897 ab als außerordentlicher, seit 1901 als ordentlicher Professor der Rechte in Czernowitz. – Ehrlich ging als Romanist in seinen frühesten Arbeiten von den Ansatzpunkten aus, welche ihm die Romanistik seiner Zeit bot, hat sich aber nicht für die Dauer auf die damals herrschende Art der Begriffsjurisprudenz festlegen lassen. Er besaß einen ausgesprochenen Sinn für die Vielgestaltigkeit des Rechtslebens und empfand schon früh die dringende Notwendigkeit, auf die Schaffung eines Rechtssystems hinzuarbeiten, das der Rechtswirklichkeit stärker Rechnung trug als das bis dahin allgemein der Fall gewesen war. Etwa seit 1903 hat Ehrlich dieser Auffassung in einer Reihe grundsätzlicher Arbeiten mit ständig zunehmender Klarheit Ausdruck gegeben und schließlich in seiner ›Grundlegung der Soziologie des Rechts‹ die soziologische Bedingtheit rechtlicher Regelungen unter Heranziehung nicht nur der römischen Jurisprudenz, sondern auch des geltenden österreichisch-deutschen Rechts und des anglo-amerikanischen Rechtsdenkens in immer neuen Formulierungen rechtsvergleichend begründet. – Ehrlichs Verdienst besteht darin, daß er zu einer Zeit, als die Grundideen der soziologischen Rechtswissenschaft noch keineswegs ins allgemeine Bewußtsein gedrungen waren, diese der zeitgenössischen Juristengeneration in wissenschaftlichen Darlegungen von großer Überzeugungskraft (und zwar auf eigene Weise, sozusagen unter Umgehung der herrschenden juristischen Arbeitsmethode) nahegebracht hat. Ehrlich hat dadurch nicht nur im mitteleuropäischen Raum bahnbrechend gewirkt, sondern auch die Rechtsentwicklung in den anglo-amerikanischen Ländern, insbesondere in den USA nachhaltig beeinflußt. Daß die soziologische Rechtsbetrachtung in dieser Isolierung nicht dauernd verbleiben könne, sondern mit der begriffsjuristischen Arbeitsweise zu einer einheitlichen Methode verbunden werden müsse, hat Ehrlich – wie sein letztes Werk über ›Die juristische Logik‹ (1918, 1925) erkennen läßt – sehr wohl gewußt. Aber zu einer eigentlichen Lösung dieses Problems, mit dem die Rechtswissenschaft auch heute noch ringt, ist er nicht mehr gekommen. Vielleicht wären wir in dieser Hinsicht bereits weiter vorgedrungen, wenn Ehrlich seine ›Theorie der Rechtsfindung‹ hätte fertigstellen können.«

Döhring, Erich, in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 362

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