August Oncken

»Wirtschaftswissenschaftler, * 10.4.1844 Heidelberg, † 18.11.1911 Schwerin.

O. studierte nach dem Besuch des Gymnasiums in Heidelberg zunächst Maschinenbau an der TH Karlsruhe, anschließend Nationalökonomie in München, Heidelberg und Berlin, wo er 1865 zum Dr. phil. promovierte. 1865–71 lebte er als Gutsbesitzer im Ghzgt. Oldenburg, wodurch sein Interesse an landwirtschaftlichen Fragen geweckt wurde. 1872 erfolgte seine Habilitation für Nationalökonomie und Statistik an der Hochschule für Bodenkultur in Wien, an der er seit 1877 als ao. Professor lehrte. Im selben Jahr ging er als Professor an die TH Aachen. 1878 wurde er als Ordinarius für Nationalökonomie an die Juristische Fakultät der Univ. Bern berufen (Dekan 1880/81, 1895/96, 1904/05; Rektor 1885/86, 1902/03). 1886 begründete er an der Juristischen Fakultät das ›Seminar für Volkswirtschaft und Konsularwesen‹, aus dem sich später die akademische Vertretung der Volkswirtschaftslehre entwickelte. Nach seiner Pensionierung 1910 kehrte er nach Deutschland zurück.

O.s wissenschaftliche Bedeutung liegt vor allem auf dem Gebiet der ökonomischen Dogrnengeschichte, die er in enger Verbindung mit den geistesgeschichtlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen der jeweiligen Zeit interpretierte. Mit dieser wissenssoziologischen Perspektive hat er der Geschichte des ökonomischen Denkens neue Wege gewiesen. O. definierte den Beginn der Ökonomie als einer selbständigen Wissenschaft mit dem Physiokratismus in Frankreich und ihrem Hauptvertreter François Quesnay, dem er umfassende und durch gründliche Quellenstudien vertiefte Arbeiten widmete, die bis heute Gültigkeit behalten haben. Ebenso beschäftigte er sich intensiv mit der ökonomischen Klassik, insbesondere mit Adam Smith, und wandte sich gegen die von der Historischen Schule vertretene und noch bis heute anzutreffende Auffassung von Widersprüchen zwischen dessen beiden Hauptwerken (Theory of Moral Sentiments, 1759; Wealth of Nations, 1776). In seinem Buch über ›Adam Smith und Immanuel Kant‹ (1877) wies er nach, daß beide Werke konzeptionell untrennbar miteinander verbunden sind. O.s Hauptwerk ›Geschichte der Nationalökonomie‹ (1902) behandelt nur die Zeit vor Adam Smith; es ist bis heute ein Standardwerk. O.s Bibliothek mit ökonomischer Literatur vom 17. bis 19. Jh., eine Fundgrube für dogmengeschichtliche Forschungen, befindet sich heute im Volkswirtschaftlichen Institut der Univ. Bern.«

Tuchtfeldt, Egon, in: Neue Deutsche Biographie 19 (1998), S. 537

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