Sozialarbeiter vor Gericht?

Grund und Grenzen einer Kriminalisierung unterlassener staatlicher Schutzmaßnahmen in tödlichen Kinderschutzfällen in Deutschland und England

2018. XVIII, 442 S.
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42,00 €
ISBN 978-3-428-15197-4
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Description

Im Mai 1995 verurteilte das Osnabrücker Amtsgericht eine Sozialarbeiterin wegen fahrlässiger Tötung und schrieb damit Rechtsgeschichte. Es war der erste Strafprozess, in dem eine Jugendamtsmitarbeiterin aufgrund – angeblicher – beruflicher Versäumnisse für den Tod eines von seiner Mutter vernachlässigten Kindes verantwortlich gemacht wurde. Seither kommt es immer wieder zu öffentlichkeitswirksamen Strafverfahren gegen Sozialarbeiter in tödlich verlaufenen innerfamiliären Kinderschutzfällen. Die auf fahrlässige Unterlassung gestützten Verfahren haben das deutsche Kinderschutzsystem auf gesetzlicher und fachlicher Ebene verändert und das strafrechtliche wie gesellschaftliche Verantwortungsverständnis im Kinderschutzkontext erweitert.

In England ist es dagegen bislang noch zu keinem Strafprozess gegen Kinderschutzfachkräfte gekommen, obwohl solche Fälle dort im Vergleich zu Deutschland noch größere mediale und politische Resonanz erfahren. Beispielhaft steht der Fall »Baby P«, der 2007 zu einer extremen Hetzjagd gegen die betroffenen Kinderschutzfachkräfte geführt hat.

Die methodisch auf einen funktionalen Rechts- und Maßnahmenvergleich sowie auf qualitative Interviews mit englischen Experten gestützte Arbeit untersucht die unterschiedliche Entwicklung der Aufarbeitung von fehlgeschlagenen Kinderschutzfällen in Deutschland und England. Sie analysiert, warum es in dem einen Land zu einem strafrechtlichen Umgang mit Versäumnissen der staatlichen Kinder- und Jugendhilfe gekommen ist, und in dem anderen Land nicht. Weitere Schwerpunkte der Analyse betreffen die Folgen der rechtspolitischen Funktionalisierung des Strafrechts für die Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe und die zu schützenden Kinder, mögliche Grenzen der Kriminalisierung, die Rolle des Strafrechts als Aufklärungs-, Vertrauensherstellungs- und Vergeltungsinstanz, seine Bedeutung als Qualitätssicherungsmaßnahme im Kinderschutz, aber auch die Schutzfunktion und andere mögliche Vorteile einer strafprozessualen Aufarbeitung für die Beteiligten.

Overview

Einleitung

Forschungsgegenstand – Forschungsziele – Forschungsmethoden – Gang der Untersuchung

Teil 1: Grund (k)einer Kriminalisierung

1. Reaktionen auf öffentlichkeitswirksame Kinderschutzfälle: Öffentlichkeitswirksame Kinderschutzfälle in Deutschland – Öffentlichkeitswirksame Kinderschutzfälle in England – Reaktionsvergleich
2. Analyse einer (etwaigen) materiell-rechtlichen Strafbarkeit von Kinderschutzfachkräften: Materiell-rechtliche Begründung einer Strafbarkeit von Kinderschutzfachkräften in Deutschland – Denkbare materiell-rechtliche Begründung einer Strafbarkeit der Kinderschutzfachkräfte in England?
3. Erklärungen für (k)einen strafrechtlichen Umgang und die allgemein stärkere soziale Kontrolle der Kinderschutzarbeit: Erklärungsansätze für den strafrechtlichen Umgang in Deutschland – Erklärungsansätze für den mangelnden strafrechtlichen Umgang in England – Erklärungsansätze für eine verstärkte soziale Kontrolle gegenüber Sozialarbeitern in beiden Ländern

Teil 2: Grenzen k(einer) Kriminalisierung

4. Bewertung (k)eines strafrechtlichen Umgangs: Ursachenaufklärung durch Strafverfahren? – Wiederherstellung von Vertrauen ins Kinderschutzsystem durch Strafverfahren? – Qualitätssicherung der Kinderschutzarbeit durch Strafverfahren? – Vergeltung für die fahrlässige Tötung eines Kindes? – Bewertungsfazit
5. Lösungsvorschläge: Funktionale Alternativen zu einem strafrechtlichen Umgang? – Vorschläge zur Ursachenaufklärung von fehlgeschlagenen Kinderschutzfällen – Vorschläge zum Vertrauensaufbau bei fehlgeschlagenen Kinderschutzfällen – Vorschläge zur Qualitätssicherung der Kinder- und Jugendhilfe – Vorschläge zur (Ent-)Kriminalisierung

Zusammenfassendes Fazit

Reaktionen auf öffentlichkeitswirksame Kinderschutzfälle – Analyse einer (etwaigen) materiell-rechtlichen Strafbarkeit von Kinderschutzfachkräften – Erklärungen für (k)einen strafrechtlichen Umgang und die allgemein stärkere soziale Kontrolle der Kinderschutzarbeit – Bewertung (k)eines strafrechtlichen Umgangs – Lösungsvorschläge

Literaturverzeichnis

Press Reviews

»Das Buch sei allen Personen dringend empfohlen, denen es ein Anliegen ist, aus fehlgeschlagenen Kinderschutzfällen zu lernen und die sich zudem dafür interessieren, wie anderswo Aufarbeitung betrieben wird. Ebenso ist es interessant für Fachleute, die an einer kritischen Auseinandersetzung mit der aktuellen Aufarbeitungspraxis Interesse haben.« Prof. Dr. Ulrike Zähringer, in: Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe, 4/2019
https://www.dvjj.de/zjj/

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