Description
Das Problem jeder politischen Herrschaft, »Legitimitätsglauben« (Max Weber) zu erzeugen, ist ein wesentlicher Aspekt politischer Theologie. Wilhelm II. hatte mit diesem Problem in einer historischen Situation umzugehen, in der eine Krise traditioneller politischer Legitimität mit einer Krise traditioneller religiöser Deutungsmuster zusammentraf. Wilhelm reagierte darauf mit einer Art politisch-theologischem Patchwork: traditionelle mit modern-charismatischen Begründungsmustern kombinierend, versuchte der Kaiser mit Hilfe eines propagierten Selbstverständnisses als »Herr der Mitte« (Nicolaus Sombart) und mit Hilfe politischer Mythen nationale Identität zu stiften und so die innere Einheit des Deutschen Reiches zu gewährleisten. Das herrscherliche Selbstverständnis und die politischen Mythen Wilhelms II. waren dabei explizit religiös fundiert, wobei er die Frage nach der Zeitgemäßheit der christlichen Religion durchaus reflektierte und theologisch zu einem undogmatischen, »germanischen« Christentum tendierte. Insgesamt ist die politische Theologie des Kaisers als Versuch interpretierbar, Politik und Religion wechselseitig zu begründen und in ein neues Harmonieverhältnis zu bringen – vor dem Hintergrund, daß die traditionelle Form der Religion wie der Politik ihre selbstverständliche Geltung verloren hat.
Overview
A. Einleitung
B. Forschungsgeschichte und methodische Fragen
C. Politisch-theologische Prägungen
Hinzpeter – Mutter, Großmutter, Ehefrau – Stoecker und Bismarck – Eulenburg – Vater und Großvater
D. Politische Theologie I: herrscherliches Selbstverständnis
Gottesgnadentum – Herr der Mitte – Anwendungsfall I: Soziale Monarchie – Anwendungsfall II: Glaubenshüter – Religionspolitik – Judenkaiser
E. Theologie Wilhelms II.
Summus episcopus und kaiserlicher Prediger – Harnack und der Apostolikumstreit – Houston Stewart Chamberlain – Bibel und Babel
F. Politische Theologie II: Politische Mythen
Politischer Mythos I: Wilhelm der Große – Politischer Mythos II: Reichstradition – Politischer Mythos III: Germanentum – Erzengel Michael
G. Krieg
Ernstfall I: Kriegsausbruch – Kriegstheologie – Ernstfall II: Kriegsende
H. Exil
Monarchie – Kulturkritik – Predigten und theologische Überlegungen
I. Schlußbetrachtung
Literaturverzeichnis
Personen- und Sachregister
Press Reviews
»Die in sich geschlossene, gut fundierte Arbeit wird dem Anspruch gerecht, die politische Theologie Wilhelms II. darzustellen. Wer sich für Fragen nach der Bedeutung der politischen Theologie interessiert, wird dieses Buch mit Gewinn lesen.« Dirk Fleischer, in: Das Historisch-Politische Buch, 2/2013
»Auch der Nichttheologe und Nichthistoriker liest diese interdisziplinär angelegte, verständlich gegliederte Untersuchung mit Gewinn, vielleicht gerade auch deshalb, weil sie in die Grenzbereiche zwischen Theologie, Kirchen- und Theologiegeschichte sowie säkulärer Geschichtswissenschaft führt.« Dr. Joachim Rott, in: Zeitzeichen, 3/2013
»Eine wichtige Arbeit für das Verständnis des Deutschen Kaiserreichs!« Joachim Schmiedl, in: Sehepunkte, 12 (2012), Nr. 10