Der Fall des Münchner Historikers Ulrich Crämer (1907–1992)
Beschreibung
Im Jahr 1940 hatte es der schon früh zur nationalsozialistischen Bewegung gestoßene Historiker Ulrich Crämer geschafft: Mit nur 33 Jahren erhielt das SA- und SS-Mitglied eine ordentliche Professor an der Münchner Universität. Nach dem Krieg wurde diese steile Karriere dann allerdings zum Stolperstein. Trotz jahrelangen juristischen Ringens bot ihm die ansonsten oft zu großzügigen vergangenheitspolitischen Schlussstrichen bereite Wiederaufbaugesellschaft keine zweite Chance. Verbittert verbrachte er seine letzten Berufsjahre als Lexikonredakteur beim Brockhaus-Verlag. Der Aufstieg und Fall Crämers ist ein Lehrbeispiel für das heikle Verhältnis von Wissenschaft und Politik im »Dritten Reich«. Die Darstellung bietet facettenreiche Einblicke in die Geschichte der Münchner Universität in Diktatur wie Republik. Dabei werden institutionen- und disziplingeschichtliche Aspekte behandelt, personelle Netzwerke in Hochschule und Politik rekonstruiert und bislang vernachlässigte Kapitel akademischer Vergangenheitspolitik ausgeleuchtet.
Inhaltsübersicht
Einleitung
1. Jugend und Studienjahre. Sozialisation im Zeichen bündisch-völkischer Prägung (1907–1929)
2. Nationalsozialismus als Chance. Karriere durch die Nähe zur Macht (1930–1936)
Weimar. Im Dienste zweier Herren: »Carl-August-Werk« und Einsatz für die »nationale Revolution« (1930–1933) – Berlin. Politikberater der braunen Macht: Referent für die »Reichsreform« (1934/1935) – Jena. Akademische Karriere an der Thüringischen »Trutz-Universität« (1934–1936) – Erste Spannungen im »Carl-August-Werk« – Dienst mit der Feder. Crämers »Politische Schriftstellerei« – Weimar, Berlin, Jena. Stationen des SS-Intellektuellen
3. München. Höhepunkt der akademischen Karriere in der »Hauptstadt der Bewegung« (1936–1945)
Die Vorgeschichte. Der »Fall Oncken« und die Folgen: Ein Lehrstück nationalsozialistischer Hochschulpolitik – Machtprobe in München. Der Kampf um die Berufung – Die Vertretungszeit an der Münchner Universität – Professor von Hitlers Gnaden. Die Berufung auf das Münchner Ordinariat
4. Crämers Schrifttum. Historia magistra vitae – Politikberatung als »Rückwärtsgewandter Prophet«
Die Reichsstadt Straßburg und verwandte Themen – Synthese Weimar, Potsdam. Arbeiten zum Zeitalter des Absolutismus – Konzept einer volksgeschichtlichen Geopolitik – Der Historiker als Politikberater. Grundlinien der Crämerschen Geschichtsinterpretation
5. Ende des »Dritten Reiches« – Ende einer Karriere (1945–1950)
Internierung und Entnazifizierung – Self-made-man in der Wiederaufbaugesellschaft. Der steinige Weg vom Töpfer zum Verlagslektor
6. Exkurs. Neue Hoffnung – Der »Verband der nicht-amtierenden (amtsverdrängten) Hochschullehrer«
Gründung und Profil im Kontext der Neuorganisation von Beamten- und Hochschulverbänden – Bayern und der Kampf der »Amtsverdrängten«. Der Bayerische Landesverband des VNAH – Resümee und Ausblick
7. Comeback? (1951–1959)
Ein unerwünschter Bewerber. Rückkehrversuche nach München – Werke aus der Nachkriegszeit
8. Gerichtlicher Kampf mit Universität und Ministerium (1960–1965)
9. Die Causa Crämer. »Akademische Vergangenheitspolitik« in Bayern
Wille zur Aufarbeitung? Das Verhalten von Universität, Ministerien und Gerichten – Helfer in der Not? Personen und Motive – Resümee: »Akademische Vergangenheitspolitik« und ihre Grenzen
10. Brockhaus und Homer. Refugium und Weltabkehr (1966–1992)
Schlussbetrachtung
Anhang
Kurzbiographien
Quellen- und Literaturverzeichnis
Personenregister
Pressestimmen
»Jedlitschkas Buch bietet eine exzellent recherchierte und anschaulich formulierte Analyse zu Reichweite und Grenzen der ›Aufarbeitung‹ des Dritten Reiches in der Historikerzunft sowie den Schleich- und Nebenpfaden, auf denen manch Karriere außerhalb des Universitätsbetriebes voranging.« Magnus Brechtken, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 5–6/2011
»Jedlitschkas Untersuchung gründet auf der genauen und differenzierten Auswertung der einschlägigen Archivalien und Forschungen. Sie führt eindrucksvoll vor Augen, wie sich die deutsche Geschichtswissenschaft in das nationalsozialistische Herrschaftsgefüge verwickelte und welch nachhaltige Konsequenzen sich daraus für die Zeit nach 1945 ergaben.« Helmut Zedelmaier, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, 04.05.2009
»Jedlitschka [findet] in seiner vorzüglich dokumentierten und spannend geschriebenen Untersuchung deutliche Worte.« Frank-Rutger Hausmann, in: Süddeutsche Zeitung, 06.03.2007
»Dieses Werk nötigt wegen der Breite und Vielfalt seines Untersuchungsansatzes Respekt ab. Mit ihm gab der Autor zudem wichtige Anstöße für eine inzwischen eingeleitete intensivere Beschäftigung der Ludwig-Maximilians-Universität mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit.« Bernd Jürgen Wendt, in: DIE ZEIT, 28.09.2006
»Jedlitschka ist eine ausgewogene, hoch informative und lesenswerte Monografie gelungen, die am Aufstieg und Fall eines Historikers das heikle Verhältnis von Wissenschaft und Politik im Dritten Reich und den ambivalenten Umgang damit in der Bundesrepublik thematisiert. [...] Dieses Buch ist nachdrücklich zur Lektüre empfohlen und sollte weitere, ähnlich gelagerte Untersuchungen anregen.« Thomas Keiderling, in: IASLonline, 13.09.2006
»Die [...] wissenschaftsgeschichtlich überragenden Verdienste der Arbeit liegen darin, dass der Autor erstmals exemplarisch das lange in diesen Dimensionen nicht bekannte bzw. bewusst verschwiegene Netzwerk zwischen Wissenschaft und Politik im Dritten Reich herausgearbeitet, schonungslos sichtbar und dabei bestens verständlich, ja spannend lesbar gemacht hat – eine teils beklemmende, überaus empfehlenswerte Pflichtlektüre.« Franz-Rasso Böck, in: Allgäuer Geschichtsfreund, 106/2006
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