»Siècle de Frédéric II« und »Zeitalter der Aufklärung«

Epochenbegriffe im geschichtlichen Selbstverständnis der Aufklärung

2002. 1 Bildtafel; 208 S.
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ISBN 978-3-428-10808-4
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Beschreibung

Was veranlaßte Voltaire, von einem "siècle de Frédéric" zu sprechen, das sogar der Preußenkönig nicht zu akzeptieren bereit war, und warum nennt auch Kant noch das 18. Jahrhundert ein "Jahrhundert Friedrichs"?

Aus komparatistischer Sicht und basierend auf umfangreichen Quellenstudien vergleicht Claudia Schröder die Positionen französischer Aufklärer wie Voltaire und d'Alembert mit denen deutscher Schriftsteller, Geschichtsschreiber und Politiker, insbesondere die des preußischen Königs Friedrichs II., Herders, Kants und des preußischen Ministers Hertzberg. Es wird dargelegt, wie aus den Auseinandersetzungen zwischen den klassizistischen Altertumsfreunden und den modernistischen Aufklärern - der Querelle des anciens et des modernes - in Frankreich sich ein aufklärerisches Fortschrittsverständnis herausbildete, das auch zu einer neuen Geschichtsauffassung in Preußen führte: Die Vorstellung der klassizistisch-zyklischen Periodisierung der Geschichte Preußens wurde abgelöst von einer zukunftsorientierten Geschichtsvorstellung. Gleichzeitig betrachtete man die Regierungszeit Friedrichs II. noch im Rahmen einer aktualisierten traditionellen christlich monarchistischen Erbe- und Legitimationstheorie, der Theorie der Vier-Weltmonarchien, verbunden mit der "translatio imperii"-Theorie. Führende Repräsentanten der Aufklärungsbewegung faßten die Regierungszeit Friedrichs II. als eine Übergangsepoche von dem normativen antiken Kultur- und Politikmodell zu einer zukunftsorientierten aufgeklärten Alternative auf. Das "siècle de Frédéric" repräsentierte für deutsche und französische Aufklärer nicht mehr ein wiedererstandenes fünftes klassisches Zeitalter der Dichtung und Kunst. Auch kann man den preußischen König weder als Klassizisten noch als aufgeklärten Modernisten rubrizieren. Der ursprünglich klassizistische Begriff "siècle de Frédéric" war für französische und deutsche Aufklärer auch ein politisches Programm. An ihm entwickelten sie ihre Vorstellungen von einem aufgeklärten Absolutismus noch bevor der Begriff geprägt war.

Die Debatte über den siècle-Begriff dokumentiert, daß sich innerhalb des überlieferten Denkmodells der klassizistischen Zyklentheorie in der Epochenwende des 18. Jahrhunderts mit dem Aufklärungsdenken ein neues Geschichts- und Zeitverständnis herausbildet: dieses beruft sich nicht mehr auf die Autorität der Vergangenheit, sondern fußt auf einer zukunftsorientierten Sicht.

Inhaltsübersicht

Inhaltsübersicht: A. Einführung: Das "Zeitalter Friedrichs des Großen" als "Zeitalter der deutschen Literatur" - Eine Debatte im Kontext der deutschen Reichsgründung - "Siècle" als Schlüsselbegriff des geschichtlichen Denkens der Aufklärung in der Forschungsliteratur des 20. Jahrhunderts - B. Das geschichtliche Denken Voltaires und die Entstehung des Begriffs "siècle de Frédéric" seine Weiterentwicklung zum "siècle de la Prusse": Die Suche nach einem König, der wie Louis XIV den Künsten und den Belles-lettres Schutz bietet - Wie ist der "roi conquérant" mit der "grande supériorité du siècle de Frédéric" zu vereinbaren? - Hoffnung auf ein "siècle de Louis XV"? - Le "siècle de philosophes" - Le siècle de la Prusse - C. Das "siècle de Frédéric" im geschichtlichen Selbstverständnis des preußischen Königs: Friedrichs Auseinandersetzung mit der zyklischen Geschichtsphilosophie und mit der Modellfunktion der "grands siècles" - Der Beitrag des preußischen Königs zur Herausbildung eines "grand siècle" in Deutschland - Das Ende des "grand siècle" in Frankreich aus der Sicht Friedrichs - Ein klassizistisch-aufklärerisches "grand siècle": die Zukunft Deutschlands? - Friedrich zwischen Hoffnung und Zweifel - D. Zwischen dem "siècle des lumières" und dem "siècle de Frédéric". Die Position d'Alemberts: D'Alemberts zyklische Fortschrittstheorie - Das "siècle de Frédéric" - D'Alembert zwischen den Fronten des d'Holbach-Kreises und des Königs von Preußen - Das "siècle de la philosophie" und Friedrich - Schlußbemerkung - E. Die Auseinandersetzung mit dem Begriff "siècle de Frédéric" als "Jahrhundert Friedrichs" in der deutschen Aufklärung: Die "Querelle des anciens et des modernes" und der Fortschrittsgedanke in Deutschland - Johann Gottfried Herdes Fortschrittsverständnis - Herders Kritik an der Geschichtsschreibung der Aufklärung und ihrer Begrifflichkeit - Die Entstehung und Verwendung des Begriffs "Jahrhundert Friedrichs" in Deutschland - Herders Analyse des Begriffs "Jahrhundert Friedrichs" in Deutschland - Herders Analyse des Begriffs "Jahrhundert Friedrichs": eine Kritik an der Politik des preußischen Königs - Die Neubewertung der Person Friedrichs, des preußischen Staates und ein Vorschlag zur Periodisierung der europäischen Geschichte - Kant und der Begriff "Jahrhundert Friedrichs" in der zeitgenössischen politischen Auseinandersetzung - F. Eine andere Definition des aufklärerisch-französischen Begriffs "siècle Frédéric" durch den königlich preußischen Staatsminister Ewald Friedrich von Hertzberg: Hertzbergs Theorie von den "vier Weltmonarchien" und vom Fortschritt - Die teutonische Weltmonarchie als die vierte Weltmonarchie und der politische Führungsanspruch der preußischen Monarchie - Hertzbergs Definition des Begriffs "Siècle de Frédéric" - Die politischen Aktivitäten Hertzbergs im Sinne des Modells "Siècle de Frédéric" - Das Scheitern der geschichtstheoretischen Vision Hertzbergs vom "Siècle de Frédéric" und die französische Revolution - G. Schluß: Zusammenfassung - Ausblick - Literaturverzeichnis - Personenverzeichnis - Sachwortverzeichnis

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