Eine Verortung der subjektiven Zurechnung innerhalb der verfassungsrechtlichen Koordinaten des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Schuldprinzips
Beschreibung
Auf der Suche nach dem Vorsatzgegenstand fundiert Papathanasiou die strafrechtliche Irrtumslehre aus der Perspektive der Verfassung mit dem Ziel, die Schwächen der Parallelwertung in der Laiensphäre auszugleichen und den Bürger in verfassungskonformer Weise vor einer Ausuferung der strafrechtlichen Verantwortung zu schützen. Die Autorin setzt sich einerseits mit den verschiedenen Ansätzen, die zur Lösung des Rätsels des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale entwickelt wurden, andererseits mit der Trennung des Tatbestands- vom Verbotsirrtum und somit mit dem Gegensatzpaar von Vorsatz- und Schuldtheorie auseinander. Die Ausführungen münden in zwei Desideraten: Erstens, »normativ geprägte Merkmale« im Allgemeinen zu thematisieren, so dass die anzuwendenden Vorsatzerfordernisse von vornherein bekannt sind und nicht von der willkürlichen Klassifizierung eines Merkmals (z.B. als Blankett-, normatives oder gesamttatbewertendes Merkmal) abhängen; dabei sind individuelle Fähigkeiten des Täters schon für seinen Vorsatz mit zu berücksichtigen. Der Irrtum über normativ geprägte Merkmale ist zuallererst ein Tatbestandsirrtum. Zweitens, die Schuldtheorie einheitlich sowohl im Kern- als auch im Nebenstrafrecht anzuwenden. So kommt Papathanasiou zu ihrer (erstmals in ihrem Beitrag zur Festschrift für Claus Roxin, 2011, S. 467 ff., eingeführten) Formel der »Widerspiegelung der gesetzgeberischen Grundentscheidung im Verständnishorizont des Täters«: Ausgehend von der Frage, ob das herkömmliche Verständnis von der sozialen Bedeutung der Norm, auf die die Parallelwertung in der Laiensphäre bezogen wird, den Anforderungen der Verfassung Rechnung trägt, wird die subjektive Zurechnung innerhalb der verfassungsrechtlichen Koordinaten des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Schuldprinzips verortet.
Inhaltsübersicht
Einleitung
1. Der Status quo der normativen Tatbestandsmerkmale innerhalb der Irrtumsdogmatik
Präliminarien – Die Palette der Irrtumsdogmatik – Verdeutlichung der herausgearbeiteten Problemstellungen anhand konkreter Straftatbestände – Zwischenergebnis I: Normativ geprägte Merkmale und Abstellen auf den konkreten Täter
2. Topoi des Unrechtsbewusstseins und die Dichotomie von Irrtümern
Vorab – Das Gegensatzpaar: Vorsatz- vs. Schuldtheorie – Die Auffassung, nach der im Kernstrafrecht die Schuld-, im Nebenstrafrecht die Vorsatztheorie anzuwenden ist – Zwischenergebnis II: Gewährleistung des Bedarfs an Einheit und Konsequenz durch die (weichere) Schuldtheorie
3. Die Widerspiegelung der gesetzgeberischen Grundentscheidung im Verständnishorizont des Täters (WGVT-Formel)
Abschied von der Figur der Parallelwertung in der Laiensphäre: Zum Verständnishorizont des Täters – Die verfassungsrechtliche Fundierung der WGVT-Formel – Die Widerspiegelung
Zusammenfassung, Literatur- und Stichwortverzeichnis
Pressestimmen
»Als Kommentator ist man stets bemüht, angesichts der steigenden Literaturflut die ›repetitive Spreu vom fruchtbaren Weizen‹ zu trennen [...]. Papathanasious couragierte und kenntnisreiche Untersuchung fällt ohne Frage in die zweite Kategorie. [...] Bei der Lektüre wird der Leser auf viele neue und neu zusammengefügte Gedanken stoßen, die wiederum Anlass zu weiteren Überlegungegn geben« Prof. Dr. Frank Peter Schuster, in: Goltdammer's Archiv für Strafrecht, 1/2016
»Aus hiesiger Sicht besteht das Verdienst der geistreichen Untersuchung vor allem darin, dass sie nicht nur die neuralgischen Punkte der ›Parallelwertung in der Laiensphäre‹ aufzeigt, sondern mit der WGVT-Formel einen griffigen Bewertungsmaßstab präsentiert.« Prof. Dr. Martin Paul Waßmer, in: Archiv für Kriminologie, Bd. 235, 5-6/2015
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